Interview mit Gaby Gollenstede, Projektleiterin der „Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft Jade-Weser“

Wesermarsch / Friesland. Gaby Gollenstede leitet gemeinsam mit Leonie Piwczyk die „Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft Jade-Weser“. Die Koordinierungsstelle mit Sitz in Brake ist ein Gemeinschaftsprojekt der Wirtschaftsförderung Wesermarsch GmbH und des Landkreises Friesland und wird vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung sowie von der Europäischen Union gefördert. Als Ansprechpartnerin für alle Frauen im erwerbsfähigen Alter bietet die Koordinierungsstelle professionelle, individuelle und ganzheitliche Unterstützung in Form von Beratung und Coaching an und arbeitet eng mit dem ebenfalls bei der Wirtschaftsförderung angesiedelten „Verbund familienfreundlicher Unternehmen Wesermarsch / Friesland e. V.“ zusammen.

Frau Gollenstede, wem bietet die Koordinierungsstelle Unterstützung an?

Zu uns kann jede Frau im Erwerbsalter kommen, also zwischen 16 und 66 Jahren. Voraussetzung ist, dass sie in Niedersachsen lebt. Wir unterstützen Frauen, die nach einer Pause wieder in den Arbeitsmarkt kommen wollen, wir beraten und unterstützen bei Wiedereingliederungen. Wir beraten auch Frauen, die in der Lebensmitte beruflich noch mal was ganz Neues wagen wollen oder nächste Karriereschritte planen. Durch den „Verbund familienfreundlicher Unternehmen“ besteht ein Netzwerk mit Unternehmen und Arbeitgebern, das wir gut nutzen.

Welche Aufgaben hat der Verbund?

Er berät Unternehmen, insbesondere die Personalleitungen, zum Thema Wie gestalte ich mein Unternehmen flexibel für Männer und Frauen? So ist es beim Thema Erziehungszeiten häufig noch sowohl für Frauen als auch für Männer schwierig, Beruf und Familienleben zusammen zu bringen. Längst nehmen sich auch Väter Erziehungszeiten. Darauf sollten sich die Arbeitgeber einstellen und wir beraten sie darüber, was die Betriebe tun müssen, damit sie familienfreundlich sind. Inzwischen ist ein Punkt erreicht, an dem sich nicht allein Arbeitnehmer anpassen müssen, sondern auch die Unternehmen, damit sie Fachkräfte bekommen. Familienfreundlich aufgestellt zu sein, ist ein Faustpfand, das gilt auch für pflegende Angehörige.

Deshalb verleiht der Verbund auch Siegel an familienfreundliche Betriebe. Dazu zählen inzwischen kleine bis mittelständische Unternehmen, aber auch eine Werft mit 250 Beschäftigten sowie Kommunen, Banken, Steuerberater und Unternehmen des Baugewerbes.

Zwei Mal jährlich veröffentlicht die Koordinierungsstelle ein Programm mit den aktuellen Angeboten. Was erwartet die Interessentinnen?

Vor allem sind es die Dauerthemen, zu denen wir laufend Angebote gestalten: Bewerbungstraining, Konfliktmanagement im Berufsalltag, das Führen von Online-Gesprächen und Selbstmarketing. Frauen brauchen mehr Sichtbarkeit und viele benötigen Unterstützung und Tipps, wie sie sich selbst aus der grauen Ecke herausbewegen, um mit ihren Fähigkeiten und ihrer Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Selbstmarketing fällt Frauen oftmals immer noch schwerer als Männern. Dazu gehört auch die Sichtbarkeit in den Netzwerken. So suchen auch Rekruter inzwischen in sämtlichen Branchen Fachkräfte. Doch um hier Angebote zu erhalten, müssen die Frauen auch erst einmal im Netz gefunden werden. Da ist ein aussagekräftiges Profil sehr sinnvoll.

Auch der Workshop „Coaching im Freien – Mut tut gut“ hat sich etabliert. Hier sind die Teilnehmerinnen in Bewegung und machen einen Wanderspaziergang mit Stationen, an denen es Denkanstöße und Austausch gibt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man sich in der Bewegung viel freier mit Fragestellungen und eigenen Gedanken befassen kann.

Es gab in 2023 so viele Krankschreibungen, wie noch nie. Was können die Ursachen sein?

Eine Ursache sehen wir in der Corona-Zeit, die einen Schub in Sachen Digitalisierung mit sich brachte. Einerseits ist die Zunahme der Digitalisierung verbunden mit Vereinfachung und Schnelligkeit. Andererseits ist sie aber auch gerade deshalb stressig und mit Belastungssituationen verbunden. Mancher ist überfordert. Eine weitere Ursache ist der Fachkräftemangel: Wo ausreichendes Personal fehlt, sind jene, die da sind, meist überlastet. Und dann ist da noch die schlechte Versorgung im Kita-Bereich, wo wir momentan weit entfernt sind von guter Versorgung, auch hier wegen des Fachkräftemangels. Die Betreuungszeiten sind knapp und oft auch nicht verlässlich. Auf vielen Eltern lastet deshalb zusätzlicher Druck.

Gibt es für die Koordinierungsstelle weitere wichtige Themen?

Ja, die gibt es genau genommen immer, weil wir uns ja an die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt anpassen. So werden wir das Thema „Diversität – Faktor Mensch“ jetzt verstärkt aufgreifen.