Von Inge Meyer

Westerstede.
Der Bürgermeister der Stadt Westerstede, Klaus Groß, ging nach 18 Jahren zum 30. Oktober in den Ruhestand. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker, DAK-Umschüler und zuletzt DAK-Geschäftsführer sowie Inhaber der DFB-Managerlizenz, war seit 1986 Ratsmitglied, zweimal im Kreistag und stellvertretender Landrat, bevor er im Jahr 2001 erst ehrenamtlicher Bürgermeister und im Jahr 2006 hauptamtlicher Bürgermeister wurde. Mit über 70 Prozent wurde er im Jahr 2014 für weitere fünf Jahre als Stadtoberhaupt mit rund 24.000 Einwohnern gewählt.

In dem folgenden Interview gibt Klaus Groß einen Einblick in sein Amt und was er in fast zwei Jahrzehnten gemeinsam mit Rat und Verwaltung geschafft hat.

Herr Groß, welche Dinge werden Sie nicht vergessen?
Es waren viele Ereignisse, aber der Gewinn der Europäischen Goldmedaille im Wettbewerb „Entente Florale“, also Grün in der Stadt; war etwas Besonderes und fast nicht zu schaffen. Nur mit dem Wir-Gefühl aller Bürger hat das geklappt. Ebenso das unglaubliche ehrenamtliche Engagement bei uns, damit konnten wir die Aufgaben der Migranten und Schutzsuchenden vorbildlich meistern. Dann waren da noch viele Diskussionen um die Schließung unserer Hössenschule und menschliche Schicksalsschläge, die gemeinsam verkraftet werden mussten.

Nicht vergessen werde ich die Kinderwetten in Kinderstede mit den Kinderbürgermeistern und mit bis zu 700 Teilnehmern. Sogar der aktive Seniorenbeirat kam dazu. Es gab immer einen Jugendbeirat und seit vier Jahren einen Kinderbeirat. Bei der bis zuletzt geheim gehaltenen Verabschiedung auf der Personalversammlung mit über 200 Kollegen ist mir deutlich geworden, was für eine großartige Mannschaft hinter mir stand und ich der Mannschaftsführer sein durfte

Als Sie 2001 zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt wurden, war die Finanzlage im Rathaus nicht so prall.

Wie haben Sie es geschafft, dass sich die Gewerbetreibenden zum Wirtschaftsforum Westerstede organisieren und sich neue Investoren in der Kreisstadt angesiedelt haben?

Mit dem Beginn meiner Amtszeit hat sich das Wirtschaftsforum gegründet. Der Gewerbeverband und der Einzelhandelsverband haben sich zu einem schlagkräftigen Forum vereint, das sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt hat. Dabei haben sich Rat, Verwaltung und Wirtschaft nicht gegenseitig den schwarzen Peter zugeschoben, sondern es wurde ein Schnitt gemacht und mit der Besetzung einer jeweils halben Stelle Stadtmarketing im Rathaus und einer halben WiFo-Marketingstelle ist eine gemeinsame Lösung gefunden. Da mir das sehr wichtig war und um der Wirtschaft zu zeigen, dass wir im Rathaus die Zusammenarbeit ernst nehmen, war dieser Schritt für eine professionelle Vermarktung genau richtig. Mit der Neuaufstellung wurde der Leitgedanke „Westerstede – Die Gesundheitsstadt im Grünen“ geschaffen. Mir war auch wichtig, dass meine rund 300 Mitarbeiter bei der Stadt und ich eine positive Einstellung ausstrahlten. Wenn der Chef schon sagt: Wie sollen wir das alles bei den miesen Rahmenbedingungen schaffen? – hast du verloren.

Eine Erfolgsgeschichte der „Gesundheitsstadt im Grünen“ ist die Ammerland-Klinik, die zusammen mit dem Bundeswehr-Krankenhaus über die Grenzen Ammerlands einen guten Ruf genießt.

Warum ist dies Vorzeigemodell so erfolgreich?
Die Bundeswehr-Klinik und unsere Ammerland-Klink arbeiten in einer einzigartigen Kooperation in Deutschland zum Wohle aller Patienten zusammen. Darüber sind wir mächtig stolz, dass wir als Kreisstadt so einen hervorragenden Klinikverbund haben. Vor einigen Jahren kam dann noch die „Psychosomatische Klinik“ hinzu.
Zum einen unterstützen wir die Kliniken durch unser eigenes Netzwerk, Probleme und anstehende Baumaßnahmen werden zusammen mit dem Landkreis im Vorfeld besprochen. Zum anderen haben wir gemeinsam mit Kliniken und Stadt eine familienfreundliche Kita in der Jahnallee in Kliniknähe gebaut, um gerade die Klinikbelange, zum Beispiel höchstflexible Öffnungszeiten und eine besondere Kinderbetreuung, sicherzustellen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist dies ein großer Wettbewerbsvorteil.

Westerstede ist die „Hauptstadt der Bäume“ und „Gesundheitsstadt im Grünen“.
Die Rhododendron-Ausstellung – kurz RHODO – die alle vier Jahre stattfindet, zuletzt in 2018, ist von den Niederlanden bis an den Bodensee sehr beliebt. In Ihrer Amtszeit haben Sie die RHODO vier Male im Team mit gesteuert.

Muss man bei so einer alt eingesessenen Veranstaltung ein neues Kapitel aufschlagen, um jetzige Besucher zu halten und Neukunden zu gewinnen?

Ja, genau das haben wir vor. Bei der Rhodo 2018 und der Rhodo 2014, einzigartig im Herzen einer Stadt, haben wir uns etwas unbemerkt von einer normalen Rhododendron-Schau zu einer sehr anerkannten Fachmesse entwickelt. Allein in Westerstede sind über 40 baumschulwirtschaftlich geprägte Gewerbebetriebe ansässig. Zukünftig möchten wir wieder für interessierte Blumenliebhaber attraktiv sein und haben uns deshalb entschlossen, dass 900-jährige Stadtjubiläum und die RHODO gemeinsam im Jahr 2023 auszurichten. Mit einem neuen Konzept und einer unglaublichen Unterstützung der Baumschulwirtschaft hat der Arbeitskreis für diese Veranstaltung bereits die Planungen gestartet. Dazu kommt, dass im Monat Mai die Hauptsaison bei den Baumschulen ist, da dann die Pflanzen versandt werden.

Als anerkannter Erholungsort zogen der Tourismus und damit die steigenden Übernachtungszahlen in Ihrer Amtszeit an. Auch die Gewerbegebiete haben sich gut entwickelt.

Wieviele Arbeitsplätze sind insgesamt entstanden?
Mittlerweile haben wir 11.000 versicherungspflichtige Beschäftigte in Westerstede, im Jahr 2001 waren es 9.300. Auch die Zahl der Gewerbebetriebe stieg von 1.510 im Jahr 2001 auf 1.956 an. Zurzeit haben täglich 6.681 Einpendler in der Kreisstadt und 4.833 Auspendler.

Allen voran hat sich das Moorburger Gewerbegebiet mit rund 10 Hektar Fläche gut entwickelt. Mehrere Betriebe, die fast alle Westersteder Wurzeln haben, haben dort investiert und kontinuierlich erweitert. Auch das Gewerbegebiet Hollriede und jetzt das neue Gebiet West sowie die Entwicklung an der Ammerlandallee sind erfreulich. In Westerstede-West gehen die Baumaßnahmen mit dem Bau eines neuen Zentrallagers im nächsten Jahr weiter.

Während Ihrer Amtszeit als Bürgermeister kam es auch zu Schließungen und Personalabbau in Westerstede, zum Beispiel Steinhoff Möbel und auch ENERCON.

Was für ein Fazit haben Sie daraus gezogen?
Während meiner Amtszeit kam es zur Insolvenz bei der Firma Jutsch und bei Steinhoff Möbel. ENERCON haben in etwa 150 Mitarbeiter hier beschäftigt, aber die sind alle von Aurich rüber gekommen, insofern betrifft uns das nicht.

Bei Steinhoff fehlte dann eine sechsstellige Summe an Gewerbesteuer im Rathaus. Daraufhin haben wir uns im Rat und Verwaltung geeinigt, dass wir unsere eigenen Investitionen der Stadt bei maximal 4,5 Millionen Euro deckeln.

Einige Bürgermeister sind heute parteilos, Ihr Nachfolger auch. Sie sind seit Ihrer Jugend ein Liberaler und waren immer in der FDP.

Haben Sie immer den Rückenwind aus Hannover und aus Berlin gemerkt?
Rückenwind aus Hannover und Berlin gab es schon, wenngleich es nur ein oder zwei FDP Bürgermeister in ganz Niedersachsen gibt. Die Bürgermeisterwahl ist jedoch auf unterster politischer Ebene eine Persönlichkeitswahl. Da habe ich sehr viel Glück gehabt.

Mit 65 Jahren gehen Sie nun in den Ruhestand. Welche drei Aufgaben hätten Sie gerne noch zu Ende gebracht?
Da ich ja Musikfan bin, hätte ich gerne noch ein großes REGGAE-Konzert mit meinen Kollegen auf dem Jaspershof organisiert. Nein, im Ernst, ich habe all das, was ich mir vorgenommen habe, auch erreicht. Gemeinsam mit der Rathaus-Mannschaft und den lieben Ratsmitgliedern eines sehr kollegialen Stadtrates. Vielleicht werde ich ja zur Einweihung des neuen Feuerwehrhauses in Hollwege und unserer großen Schulerweiterung an unserer Europaschule, dem Gymnasium, irgendwann nach meiner Amtszeit eingeladen.

Meinem Nachfolger wünsche ich Glück, Gesundheit, Erfolg und immer die richtigen Mehrheiten im Rat.