Pflegesituation wird die Gesellschaft auf eine harte Probe stellen

Wenn sich die Pflege-Situation dramatisch zuspitzt, geht das die Wirtschaft viel an. Nicht nur, weil auch Unternehmer altern, pflegebedürftig werden können und sich dann vermutlich eine liebevolle, kompetente und bezahlbare Pflege wünschen. Sondern auch, weil viele Arbeitnehmer ihre Angehörigen pflegen müssen. Das belastet sie oft, wirkt sich unter Umständen auf die Produktivität am Arbeitsplatz aus – und es führt dazu, dass viele Beschäftigte, die gerne mehr und länger arbeiten würden, nur in Teilzeit tätig sind oder dem Markt überhaupt nicht zur Verfügung stehen.

Die Pflegesituation wird die Gesellschaft in den kommenden Jahren auf eine sehr harte Probe stellen. Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich in den letzten 20 Jahren auf rund fünf Millionen mehr als verdoppelt. 84 Prozent oder 4,17 Millionen werden nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Hause versorgt. Zugleich wird die Personalnot in der Pflege immer größer. Beispiel: Von den 1,14 Millionen professionell Pflegenden in der Altenpflege erreichen laut Zahlen der DAK-Krankenkasse 249.500 beziehungsweise 21,9 Prozent bis 2034 das Rentenalter. Nachwuchs kommt nur schleppend nach.

Die individuellen Pflegekosten schnellen derweil durch die Decke. Bald dürfte der Eigenbeitrag für einen Pflegeheimplatz im bundesdeutschen Durchschnitt bei über 3.000 Euro im Monat liegen, während es 2023 bereits 2.740 Euro und 2020 erst 2.000 Euro waren.

Der Ruf nach besserer Bezahlung der Pflegekräfte, mehr privaten Zusatzversicherungen und höherer Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen oder höheren Steuerzuschüssen ertönt schnell. Doch wahrscheinlich ist angesichts der Ernsthaftigkeit der Lage die Zeit reif für zusätzliche Überlegungen und Konzepte, wie das bisherige Modell aus häuslicher und stationärer Pflege weiterentwickelt werden kann. Dabei geht es zum Beispiel um alternative Wohnformen und stärkere Laienpflege auf lokaler Ebene, die zurück gehende professionelle Pflege kompensieren kann, um mehr Barrierefreiheit und nachbarschaftliche Projekte. Wirtschaft tut gut daran, wenn sie sich einbringt. Denn Pflege geht alle an, auch sie.