Interview mit Nils Siemen, Bürgermeister der Stadt Nordenham

Nordenham. Nils Siemen, Bürgermeister der Stadt Nordenham im Landkreis Wesermarsch, stellte sich den Fragen der WIRTSCHAFTSECHO-Redaktion. Unter den Themen: die zunehmende Respektlosigkeit in der Gesellschaft, die Stärken des Wirtschaftsstandortes und die Haltung zur Weservertiefung. Herr Bürgermeister Siemen, die Aggressivität gegenüber Politikern nimmt offensichtlich zu. Wie nehmen Sie diese Problematik auf kommunaler Ebene wahr?

Ich möchte da nicht in erster Linie auf Nordenham blicken. In unserer gesamten Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren im zwischenmenschlichen Umgang etwas negativ verschoben. Diese Entwicklung macht um Nordenham keinen Bogen. So beobachten wir zum Beispiel im Rathaus ruppigere Verhaltensweisen von einigen Menschen. Ich weiß aber: Viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich, dass sich das wieder ändert. Sie wollen, dass mehr Empathie und vor allem Respekt voreinander einkehren.

Worauf führen Sie diese negative Entwicklung zurück?

Corona hat sicherlich einen großen Anteil daran. Aber auch extremistische Parteien schütten Öl ins Feuer und haben die Grenze des Sagbaren verschoben.

Wo liegt diese Grenze denn nach Ihrer Auffassung?

Man muss nicht einer Meinung sein. Das ist ja auch eine der Stärken unserer demokratischen Grundordnung. Aber man muss einander zuhören und versuchen, mit Argumenten zu überzeugen. Die Grenze ist dort eindeutig überschritten, wo Menschen persönlich angegriffen und herabgewürdigt werden.

Waren Sie persönlich denn bereits betroffen?

Es gab zum Beispiel grenzwertige Kommentare in den Sozialen Medien und vor allem in einigen Messengerdiensten, bei denen die Grenzen des guten Geschmacks deutlich überschritten waren. Besonders während der Corona-Zeit war das zu beobachten.

Lassen Sie uns zum Wirtschaftsstandort Nordenham kommen. Was sind seine größten Stärken?

Wir sind sehr stolz darauf, ein bedeutender Industriestandort zu sein. Wir verfügen über den größten Privathafen Deutschlands, Betriebsstandorte mehrerer internationaler Konzerne unterschiedlicher Branchen und starke Handwerksfirmen. 11.000 Arbeitsplätze sind in Nordenham vorhanden, davon knapp 6.000 in der Industrie. Und wenn es um die so genannten weichen Standortfaktoren geht, will ich zum Beispiel die reichhaltigen Kultur-, Sport- und Freizeitangebote, die benachbarte Tourismusgemeinde Butjadingen mit den Nordseebädern und das Weltnaturerbe Wattenmeer erwähnen.

Aus welchen Schwächen müssen noch Stärken gemacht werden?

Wir haben sehr energieintensive Betriebe an unserem Wirtschaftsstandort. Und die begleiten wir bei der Transformation in Richtung Erneuerbarer Energien nach Kräften. Ein sehr wichtiges Stichwort ist in diesem Zusammenhang die Aufnahme in das Wasserstoff-Kernnetz des Bundes als eine der ersten Regionen in der Bundesrepublik. Das ist ein herausragender Erfolg, dessen Tragweite in Teilen der Bevölkerung und Wirtschaft noch nicht bewusst ist. Für die Wasserstoffwirtschaft bietet der Nordwesten von allen Regionen in Deutschland die besten Voraussetzungen – Nordenham ist mittendrin. Man muss wissen: Natürlich ist der Auf- und Umbau der Infrastruktur ein langer Prozess, der viel Zeit und Geld erfordert. Und wo Sie nach Schwächen gefragt haben, die zu Stärken werden sollen: Da verweise ich darauf, dass wir mehr Wohnraum und Bauplätze benötigen. Denn wir haben viele Einpendler, aus denen Einwohner werden sollen. Deshalb haben wir mit unserer städtischen Wohnbaugesellschaft GNSG eine Wohnraumoffensive gestartet.

Gebaut wird ja auch im Gewerbegebiet Am Wesertunnel in Havendorf, westlich der B 212. Von diesem Projekt erhoffen Sie sich ebenfalls eine Menge?

Das ist richtig. Den ersten Spatenstich gab es im November 2023. Hier entsteht seitens der E-Gruppe eines der modernsten Logistikzentren Deutschlands. Weitere Firmen werden sich perspektivisch ansiedeln. Denn das Gewerbegebiet in unserem südlichen Stadtareal bietet Ausbaureserven auf bis zu 140 Hektar und punktet auch mit der Nähe zur geplanten A20 und der Anbindung an die A 27 und die A 29.

In Sachen Weservertiefung positionieren Sie sich klar auf der Seite der Gegner. Warum?

Während andere Kommunen davon profitieren, entstehen für die Stadt Nordenham große Nachteile, weshalb wir hier unser Veto einlegen. Unser Strandbad haben wir bereits verloren und die Wassersportler haben enorme Mehrkosten aufgrund der Verschlickung. Hinzu kommt: Betriebe an der Hafenkante müssen ausbaggern. Das kostet diese Geld, was letztlich zu Steuerverlusten führt.

Abschließend die Frage: Wo würden Sie Nordenham gerne in zehn Jahren sehen?

Wirtschaft und Gesellschaft sind zu einem großen Teil auf Erneuerbare Energien umzustellen. Die Infrastruktur ist hier auf einem guten Stand. Die Betriebe können ihren Arbeitskräftebedarf decken. Und: Die Vorzüge der Stadt Nordenham sollen überregional bekannter werden.