Autor: Dieter Nannen

Die Wahlrechtsreform und ihre Auswirkungen

Die Wahlrechtsreform und ihre Auswirkungen

Wie viele Abgeordnete wird der Bundestag, das oberste Parlament der Bundesrepublik, in Zukunft haben? Nach welchen Kriterien sollte diese Frage entschieden werden? Die derzeitige Größe des Parlaments und die Unsicherheit über die künftige Zahl der Abgeordneten wurden allgemein als unbefriedigend betrachtet. Welche Gesetzesänderungen waren notwendig und sinnvoll, um eine gewünschte Änderung zu erreichen? Darüber ist lange diskutiert worden. Jetzt hat der Bundestag eine Entscheidung getroffen.

Ursprünglich sollte der Bundestag 598 Sitze haben. Nach der Bundestagswahl 2013 waren es 631, nach der Wahl 2017 schon 709. Seit der Wahl im Jahr 2021 sind es sogar 736, also fast ein Viertel mehr, als ursprünglich vorgesehen. Von den 138 zusätzlichen Sitzen entfallen 41 auf die Union, 36 auf die SPD, 24 auf die Grünen, 16 auf die FDP, 14 auf die AfD und 7 auf die Linke. Zum Vergleich: Das Europa-Parlament hat 705, die Abgeordnetenkammer in Brasilien 513 und das Repräsentantenhaus in den USA 435 Abgeordnete.

Die Rechtsgrundlage für die erhebliche Vergrößerung war eindeutig. Der Wähler hat zwei Stimmen. Er kann eine Partei und eine Person wählen. Anhand der so genannten Zweitstimmen, das sind die Stimmen für eine Partei, wird zunächst ermittelt, wie viele Sitze eine Partei erhält. Bei den letzten Wahlen haben die Kandidaten einiger Parteien insgesamt mehr Sitze erhalten, als ihrer Partei nach den Zweitstimmen zustanden. Dadurch entstanden so genannte Überhangmandate. Um in einem solchen Fall die Relation zwischen den Parteien aufgrund der Zweitstimmen zu erhalten, bekamen die übrigen Parteien zusätzliche Sitze, die sich aus ihren so genannten Wahllisten ergaben (Ausgleichsmandate). Aus diesem Grund steht vor einer Wahl nicht fest, wie viele Abgeordnete der Bundestag erhalten wird.

Mitte März hat der Bundestag mit 400 gegen 261 Stimmen die Reduzierung der Bundestagssitze auf 630 beschlossen. Außerdem soll der Beschluss ein erneutes automatisches Ansteigen der Zahl der Bundestagsabgeordneten verhindern. Dazu sollen zwei Änderungen beitragen:

a) Die Aufteilung der Bundestagssitze auf die Parteien soll ausschließlich nach der Zweitstimmen-Relation erfolgen. Das bedeutet: Erreichen die Direktkandidaten einer Partei insgesamt mehr Sitze als ihrer Partei nach dem Zweitstimmen-Verhältnis zustehen, so können nicht alle direkt gewählten Kandidaten in den Bundestag einziehen. Manche der mit den prozentual geringsten Stimmenanteilen direkt gewählten Kandidaten dieser Partei würden trotz ihres Wahlsieges keine Abgeordnete werden.

b) Bisher konnte eine Partei, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhielt, nicht in den Bundestag einziehen. Diese Einschränkung galt jedoch nicht, wenn die Partei mindestens drei Direktmandate erreichte. Von dieser Vorschrift hat die Linke profitiert, die bei der letzten Wahl zwar weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhielt, aber drei Direktmandate gewann, so dass neben den direkt gewählten Kandidaten zahlreiche weitere Bewerber in den Bundestag einziehen konnten. Diese Vorschrift ist gestrichen worden. Das würde bei einem gleichen Ergebnis bei der nächsten Wahl dazu führen, dass die LINKE, die aktuell 39 Abgeordnete hat, künftig nicht mehr im Bundestag vertreten wäre. Diese neue Vorschrift könnte auch die CSU treffen, die bei der letzten Wahl nur 5,2 Prozent der Zweitstimmen erhielt. Wenn sie zwar zahlreiche Direktmandate in Bayern gewinnt, aber bundesweit weniger als 5 Prozent der Zweitstimmen erreicht, wird sie im Bundestag nicht mehr vertreten sein.

Diese beiden Gesetzesänderungen sind sehr umstritten. Ein wesentliches Element der Demokratie ist das direkte Wahlrecht der Bürger für die Zusammensetzung der Parlamente. Es widerspricht dem Grundsatz der Demokratie, wenn in bestimmten Fällen nicht jeder Kandidat, der in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, in den Bundestag einziehen kann. Dass ein direkt von den Bürgern gewählter Kandidat somit gegenüber einem Mitbewerber zurückstehen muss, der von einem Parteigremium nominiert worden ist, stellt eine völlig ungewöhnliche Regelung dar.

Diese Vorschrift hat zu sehr drastisch formulierten Stellungnahmen von Vertretern der CSU geführt, die bei der nächsten Wahl leer ausgehen könnte. Da ist zum Beispiel von organisierter Wahlfälschung die Rede. „Direkt gewählten Abgeordneten den Einzug ins Parlament zu verweigern, kennen wir sonst nur aus Schurkenstaaten“, formulierte ein CSU-Spitzenpolitiker.

Auch die Abschaffung der „Fünf-Prozent-Regel“ für eine Partei, die mindestens drei Direktmandate gewonnen hat, ist umstritten. Das gilt besonders, weil dadurch die LINKE bei der nächsten Wahl alle ihre Bundestagssitze verlieren könnte.

Diese vorgesehenen Regelungen haben zu intensiven und emotionalen Diskussionen geführt. Die CSU und die Linkspartei haben bereits Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.

Mit dem Demokratieverständnis besser vereinbar wäre die Regelung, dass wie bisher alle direkt gewählten Kandidaten unabhängig von den sonstigen Wahlergebnissen in den Bundestag einziehen und dafür die Zahl der aufgrund der Zweitstimmen gewählten Kandidaten reduziert würde. Auf diese Weise würde der Bedeutung einer Direktwahl ein höherer Wert eingeräumt als ein bestimmter Platz auf der von einem Parteigremium beschlossenen Rangliste. Mit anderen Worten: Der Wahl der Bürger ist wichtiger als die Entscheidung von ausgewählten Parteimitgliedern, die an der Festlegung der Reihenfolge auf der Kandidaten-Liste und damit an den Chancen der einzelnen Bewerber mitwirken.

Die gesetzliche Neuordnung des Wahlrechts wird mit Sicherheit in nächster Zeit eine ausgedehnte und sicherlich auch von Emotionen geprägte Diskussion auslösen. Ob einige Abgeordnete bei ihrer Stimmabgabe auch an die Einschränkung ihrer Chance für eine Wiederwahl gedacht haben?

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