Was versteht man unter der Ausgleichungspflicht für Vorempfänge?
Leer. Bei Vorempfängen handelt es sich um Zuwendungen des Erblassers an einen Abkömmling gleichen Grades (Tochter, Sohn, Enkel …), die dieser noch zu Lebzeiten erhalten hat und die vom Umfang her so erheblich sind, dass sie eine Gleichbehandlung der Abkömmlinge im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge vereiteln würden. In den §§ 2050 ff. BGB ist geregelt, unter welchen Umständen diese Zuwendungen bei der Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen sind.
Warum gibt es diese Regelung? Im Grundsatz kann der Erblasser mit seinem Vermögen machen, was er will. Die gesetzliche Erbfolge greift jedoch dann, wenn der Erblasser kein Testament erstellt hat. Der Gesetzgeber unterstellt in diesem Fall, dass der Erblasser alle seine Abkömmlinge gleich behandeln wollte. Um diese Gleichbehandlung zu gewährleisten, werden bestimmte lebzeitige Zuwendungen in die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens einbezogen. Die Empfänger solcher Zuwendungen müssen sich den Wert auf ihren Erbteil anrechnen lassen.
Abgrenzung: Die Ausgleichungspflicht von Vorempfängen ist zu unterscheiden vom Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB. Dort geht es um besondere Leistungen (z.B. Pflegeleistungen) eines Abkömmlings, die zur Erhaltung oder Vermehrung des Vermögens des Erblassers geführt haben und ohne angemessenes Entgelt erbracht wurden. Dieser Abkömmling soll dafür mehr erhalten, nicht weniger.
Welche Zuwendungen müssen Miterben einer Erbengemeinschaft ausgleichen?
Die Zuwendungen, die eine Ausgleichspflicht auslösen können, sind in §§ 2050 ff. BGB geregelt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie:
-vom Erblasser noch zu dessen Lebzeiten vorgenommen wurden,
-wirtschaftlich vorteilhaft sind und
-keine oder nur eine geringere Gegenleistung vorliegt.
Der Erblasser kann bei der Zuwendung allerdings bestimmen, dass keine Ausgleichungspflicht entstehen soll. Dies ist aber nur möglich, soweit hierdurch nicht das Pflichtteilsrecht anderer Erben beeinträchtigt wird (§ 2316 Abs. 3 BGB).
Ausgleichungspflichtig sind insbesondere:
Ausstattung, § 2050 (1) BGB: alle Zuwendungen im Hinblick auf Heirat, Begründung oder Erhaltung einer selbständigen Lebensstellung
Zuschüsse, die als Einkünfte dienen sollen, § 2050 (2) BGB: sie sind nur insoweit auszugleichen, als sie das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß übersteigen; demnach kommt es nicht auf die Höhe der Zuwendung an, sondern auf die Vermögensverhältnisse beim Erblasser; immer dann, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung glauben konnte, dass er trotz dieser Zuwendung die Rechte der übrigen Abkömmlinge erfüllen kann, übersteigt dies nicht seine Vermögensverhältnisse
Ihr Kind A ist aufgrund seiner unverschuldeten Arbeitslosigkeit finanziell bedürftig. Greifen Sie ihm mit besonderen Zuschüssen unter die Arme, ist die Unterstützung nicht als übermäßig zu betrachten. Die Zuwendung sollte dann nicht der Ausgleichungspflicht unterliegen. Auf jeden Fall empfiehlt sich, dass Sie dazu eine Aussage treffen. Besitzen Sie ein Wertpapierdepot und finanzieren die Zuwendung aus den Dividenden, spricht diese Handhabe weniger für ein Übermaß, als wenn Sie sich veranlasst sehen, Ihr Wertpapierdepot zu verkaufen.
Andere Zuwendungen, § 2050 (3) BGB: für Zuwendungen, die nicht unter die gerade genannten beiden zwei Fälle fallen, findet im Grundsatz keine Ausgleichung statt. Allerdings kann der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung anordnen, dann ist sie vorzunehmen; das ist unabhängig davon, ob die Zuwendung übermäßig ist oder nicht
Beispielsweise kann eine solche Zuwendung darin bestehen, dass die heiratende Tochter ein Haus bekommt oder dass der Sohn für den Start in die Selbständigkeit einen höheren Geldbetrag erhält. Werden diese Zuwendungen nicht berücksichtigt, würde das Erbe in der gesetzlichen Erbfolge unfair verteilt werden. Daher erhöht man rechnerisch den Nachlass um diese Vorempfänge und zieht sie anschließend vom Erbteil des Empfängers wieder ab.
Wer muss ausgleichen und welcher Miterbe kann einen Ausgleich verlangen?
Ausgleichungspflichtig sind Abkömmlinge des Erblassers, wenn ihr Erbrecht auf der gesetzlichen Erbfolge beruht. Dem wird gleichgestellt, dass das Erbrecht zwar auf Testament beruht, aber nur die gesetzliche Erbfolge bestätigt. Ausgleichungsberechtigt, also Empfänger der Ausgleichszahlung, sind die übrigen Abkömmlinge, die durch gesetzliche Erbfolge zum Erben berufen sind. Der jeweilige Grad des Abkömmlings spielt eine wichtige Rolle bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs.
Nachdem Ehegatten keine Abkömmlinge des Erblassers sein können, trifft sie niemals eine Ausgleichspflicht.
Beispiel:
Sie hinterlassen drei Kinder und setzen Kind A zu Ihrem Alleinerben ein. Kind A hat bereits zu Lebzeiten erhebliche Zuwendungen erhalten. Da das Erbrecht von Kind A nicht auf der gesetzlichen Erbfolge, sondern auf Ihrer testamentarischen Verfügung beruht, ist es gegenüber den Geschwistern B und C nicht ausgleichspflichtig. Die Kinder B und C haben lediglich Anspruch darauf, dass sie ihren Pflichtteil erhalten. Hat der Erblasser allerdings die Abkömmlinge auf den Erbteil eingesetzt, den diese als gesetzliche Erben erhalten würden und damit im Grunde nur die gesetzliche Erbfolge bestätigt, so besteht im Zweifel trotzdem die Ausgleichungspflicht (§ 2052 BGB). Haben Sie als Erblasser andere Vorstellungen, sollten Sie diese testamentarisch zum Ausdruck bringen.
Für alle anderen Fälle der gewillkürten Erbfolge besteht keine Ausgleichsvorschrift. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Erblasser in Kenntnis der Vorausempfänge über sein Vermögen verfügt hat und diese angemessen berücksichtigen konnte. Eine Grenze bestimmt lediglich das Pflichtteilsrecht (§ 2316 BGB).
Wie erfolgt die Ausgleichung in einer Erbengemeinschaft?
Die Ausgleichung erfolgt, indem im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Ausgleichungsrechte und –pflichten bei der wertmäßigen Bestimmung der Auseinandersetzung mit einzurechnen sind. Hierzu wird der Wert des zu verteilenden Nachlasses um die Ausgleichungspflichten erhöht. Im Anschluss wird vom Gesamtwert jeweils der auf jeden Erben entfallende Anteil berechnet. Dieser wird dann für die Erben, die bereits Zuwendungen empfangen haben, um ihre Zuwendung verringert. Im Anschluss steht fest, welchen Anspruch jeder einzelne Miterbe noch am verbleibenden Nachlass hat. Kommt es hierbei zu einem negativen Betrag, d.h. hat ein Miterbe bereits im Rahmen des Vorempfangs mehr erhalten, als ihm nun zustehen würde, so muss er diesen Betrag allerdings nicht ausgleichen. Es besteht keine Nachschusspflicht.
Beispiel: Sie leben mit Ihrer Ehefrau im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und hinterlassen Ihrer Ehefrau und Ihren drei Kindern A, B und C einen Nachlass im Wert von 200.000 €. Kind A hat aus Anlass seiner Eheschließung eine Aussteuer im Wert von 20.000 € und Kind B einen Betrag von 30.000 € im Hinblick auf seine Berufsausbildung erhalten. Sie haben ausdrücklich bestimmt, dass diese Zuwendungen nach Ihrem Ableben im Erbfall ausgleichspflichtig sind. Nach Ihrem Ableben werden sich Ihre Frau und Ihre Kinder die Frage stellen, mit welchen Erbteilen sie rechnen dürfen.
Die Erbteile berechnen sich so:
Ihre Ehefrau erhält als gesetzlichen Erbteil 1/4 und als Zugewinnausgleich ein zusätzliches 1/4 Ihres Nachlasses, insgesamt also 100.000 €. Da sie gemäß § 2050 Abs. I BGB kein Abkömmling ist, braucht sie sich auch nichts anrechnen zu lassen. Die Ausgleichung findet nur unter Abkömmlingen statt.
Die restlichen 100.000 € Ihres Nachlasses sind unter Ihren Kindern aufzuteilen. Die auszugleichenden Zuwendungen an Ihre Kinder A (20.000 €) und B (30.000 €) sind dem Nachlass rechnerisch hinzuzurechnen. Daraus ergibt sich unter den Kindern ein Ausgleichungsnachlass von insgesamt 150.000 €.
Jedem Ihrer drei Kinder stünden nach dem Verhältnis gleicher Erbteile rein rechnerisch 50.000 € zu. Darauf müsste sich Kind A 20.000 € sowie Kind B 30.000 € anrechnen lassen. Kind A erhält dann nur noch 30.000 €. Kind B bekommt 20.000 €. Kind C, das bislang noch keine Zuwendungen erhalten hat, erhält die verbleibenden 50.000 €. Mehr unter www.hapig-kollegen.de.
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