Aufenthalt in einer stationären Pflegeeinrichtung ist teurer geworden
Leer. Nach einigen Jahren Aufenthalt in einer stationären Pflegeeinrichtung ist das Familienheim oftmals „verbraucht“! Für lebzeitige Übertragungen ist es bei Eintritt des Pflegefalls schon zu spät. Dann kann aber das richtige Testament evtl. doch noch das Haus für die nächste Generation vor dem Staat retten.
Die eigene Immobilie ist für viele Menschen in Deutschland die sicherste und solideste Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. Neben der Rente ist das Familienheim für viele Ehepartner oft der einzige Vermögensgegenstand von Bedeutung. Wird jedoch eine Unterbringung im Pflegeheim erforderlich und reichen die vorhandenen Mittel für dessen laufende Kosten nicht aus, gerät das Haus in Gefahr. Denn: Das Sozialamt übernimmt den Teil der Kosten, die sich die pflegebedürftige Person nicht leisten kann. Auf das Familienheim kann das Sozialamt zu Lebzeiten des Leistungsempfängers meist nicht zugreifen, da es in vielen Fällen zum sogenannten Schonvermögen gehört (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII). Ist jedoch der Erbfall eingetreten, greift es auf den Nachlass zu und holt sich das Geld zurück.
Welche Rechtsgrundlage hat die Erbenhaftung bei der Sozialhilfe?
Es gibt nur noch sehr eingeschränkt eine Erbenhaftung für gezahlte Sozialleistungen. Bei Hartz IV ist sie entfallen, und auch bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Rahmen der Sozialhilfe existiert so etwas nicht. Aber: Bei der Sozialhilfeleistung „Hilfe zur Pflege“ nach dem 12. Sozialgesetzbuch (SGB XII) gibt es sehr wohl noch eine Haftung der Erben.
Die Kostenersatzpflicht der Erben beruht auf § 102 Abs. 1 SGB XII. Sie gilt für alle Leistungen, die das Sozialamt in den zehn Jahren vor dem Ableben des Erblassers gezahlt hat und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Dieser liegt 2025 inkl. Familienzuschlag bei 932 Euro, das Dreifache sind 2.796 Euro.
Warum nicht einfach verschenken?
Eine einfache Schenkung zu Lebzeiten reicht oftmals leider nicht aus: Nach § 528 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hat der Schenker im Falle seiner Verarmung ein Rückforderungsrecht. Dieses Recht kann das Sozialamt auf sich überleiten und gegen den Beschenkten und sogar gegen dessen Erben geltend machen. Dieses Recht verjährt erst innerhalb von 10 Jahren nach dem Zeitpunkt der Schenkung.
Welche Mittel versprechen Erfolg?
Neben sehr rechtzeitigen Übertragungen zu Lebzeiten für die es oftmals schon zu spät ist, wäre hier das Mittel der Wahl eine entsprechende Gestaltung des Testaments. Grundsätzlich sind Testamentsgestaltungen, die den Nachlass vor dem Zugriff des Sozialamtes schützen sollen, nicht sittenwidrig. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 19.1.2011, Az. IV ZR 7/10). Deshalb empfiehlt es sich dringend für verantwortungsbewusste Erblasser, durch geeignete testamentarische Gestaltungen das Familienheim vor dem Zugriff des Staates zu bewahren.
Welche Möglichkeiten bieten sich an?
Es gibt hier verschiedene Regelungsmöglichkeiten, die jeweils Vor- und Nachteile haben. Daher dürfen die nachfolgenden Vorschläge nicht pauschal übernommen werden – fachkundige Beratung abgestimmt auf den Einzelfall ist bei solchen Konstruktionen unabdingbar.
Möglichkeit 1: Wohnrecht für den überlebenden Ehegatten
Die Kinder erben das Grundstück. Der überlebende Ehepartner erhält ein Wohnrecht auf Lebenszeit am Familienheim – und zwar per Vermächtnis. Ein Vermächtnisnehmer ist KEIN Erbe, sondern hat nur einen Anspruch gegen die Erben auf einen bestimmten Einzelgegenstand. Das Wohnrecht endet laut Testament, wenn der überlebende Ehegatte es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Es steht also unter einer sogenannten auflösenden Bedingung.
Hier wäre der Ehepartner davor sicher, aus dem Haus ausziehen zu müssen, in dem er oder sie das ganze Leben lang gewohnt hat. Zwar könnte das Sozialamt spätestens nach dem Auszug des Ehegatten den Kindern als Erben das Haus wegnehmen. Vorher wird es das wahrscheinlich nicht tun, da sich das Haus nicht verwerten lässt, wenn jemand daran ein Wohnrecht hat. Nach dem Auszug des überlebenden Ehegatten könnte es für die Behörde zu spät sein: Der Anspruch aus § 102 Abs. 1 SGB XII verjährt innerhalb von drei Jahren nach dem Tod des Leistungsempfängers.
Möglichkeit 2: Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung
Hier wird der überlebende Ehegatte als alleiniger, nicht befreiter Vorerbe eingesetzt. Ein solcher ist in seinen Verfügungsmöglichkeiten über den Nachlass beschränkt: Er darf u. a. keine Grundstücke veräußern, übertragen oder belasten. Denn: Er soll das Erbe für die Nacherben zusammenhalten. Nacherben werden die Kinder. Diese erhalten den Nachlass, wenn der Vorerbe verstirbt.
Die Vor- und Nacherbschaft kann sich dabei auf das Familienheim beschränken. Zusätzlich kann und sollte der überlebende Ehegatte zu seiner Absicherung als Vorausvermächtnis alle anderen Nachlassgegenstände bekommen, auf die das Sozialamt keinen Zugriff hat.
Ein Vorausvermächtnis ist ein Vermächtnis, das einem Erben zugewandt wird. Dadurch bekommt der Erbe über die Erbeinsetzung hinaus im Voraus einen bestimmten Gegenstand, der nicht auf sein Erbteil anzurechnen ist. Dies ist unabhängig von seiner Stellung als Erbe.
Ein Vorerbe bekommt die Erträge aus dem Nachlass – zum Beispiel Mieteinnahmen. Muss nun der Vorerbe ins Pflegeheim und braucht selbst „Hilfe zur Pflege“, könnte das Sozialamt ggf. auf diese Beträge zugreifen. Durch eine im Testament angeordnete Dauertestamentsvollstreckung mit geeigneten Anweisungen an den Testamentsvollstrecker lässt sich dies verhindern: Der Testamentsvollstrecker wird testamentarisch angewiesen, dem Vorerben nur so viel von den Erträgen zu überweisen, dass dies für etwaige Sozialleistungen unschädlich ist. Hier bietet es sich an, ein geeignetes Kind als Testamentsvollstrecker einzusetzen.
Zu kombinieren ist all dies mit einem Pflichtteilsverzicht der Kinder und der Ehegatten. Zumindest dann, wenn ein Leistungsempfänger oder dessen Ehegatte gegen einen Erben Pflichtteilsansprüche hat, kann das Sozialamt diese auf sich überleiten (§ 93 SGB XII). Der Pflichtteilsanspruch entsteht sofort nach dem Erbfall. Dieses Risiko sollte ausgeschlossen werden.
Zu prüfen ist außerdem, ob das Sozialamt Unterhaltsansprüche des überlebenden Elternteils gegen die Kinder – oder womöglich nur gegen eines der Kinder – überleiten und auf dieser Basis Leistungen zurückverlangen kann. Hier spricht man vom sogenannten Elternunterhalt. Dies ist jedoch nur noch möglich, wenn das Kind mehr als 100.000 Euro im Jahr verdient. Mehr unter www.hapig-kollegen.de.