BERLIN, GERMANY – MAY 15, 2017: The German Bundestag, a constitutional and legislative building in Berlin, capital of Germany
Das 75-jährige Jubiläum des Grundgesetzes
Uplengen. Am 23. Mai feierten wir das 75jährige Jubiläum unseres Grundgesetzes aus dem Jahr 1949. Wegen der extrem großen Bedeutung der rechtlichen Gestaltung des Staates und seiner wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, war dieses Jubiläum Anlass für eine Rückschau.
Die geschichtliche Entwicklung der Bundesrepublik ist völlig ungewöhnlich. Ihr Start erfolgte kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der in Deutschland und in weiten Teilen Europas ein heute kaum noch vorstellbares Elend verursacht hatte. Damals waren die wirtschaftlichen Verhältnisse und damit die Lebensumstände der Bürger aufgrund der Nachwirkungen des Krieges geradezu katastrophal.
In den ersten Jahren nach dem Kriegsende bestimmten die Siegermächte das Geschehen in Deutschland. Sie teilten unser Land in vier Besatzungszonen und übernahmen zunächst die Regierung. Das Gebiet der späteren Bundesrepublik wurde in drei Bereiche aufgeteilt, von denen die USA, Großbritannien und Frankreich je einen Bereich übernahmen. Die Entwicklungen in diesen Bereichen verliefen einheitlich, weil die drei Besatzungsmächte in ihren grundsätzlichen Ansichten über eine optimale Staatsform übereinstimmten. Die Sowjetunion übernahm die Verwaltung des östlichen Teils Deutschlands. Sie war zu einem Zusammenschluss oder einer Zusammenarbeit mit den anderen Gebieten nicht bereit.
Ende der vierziger Jahre änderten sich die politischen Verhältnisse. Von September 1948 bis Mai 1949 tagte in Bonn der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland entwickelte. Es enthält Vorschriften über Elemente der Grundrechte wie die Menschenwürde, die Demokratie, die Freiheitsrechte und die Presse- und Versammlungsfreiheit. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland verkündet. Am 14. August 1949 fanden in der Bundesrepublik die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag statt. Am 7. Oktober 1949 wurde die Deutsche Demokratische Republik gegründet.
Die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik und in der DDR waren völlig unterschiedlich. In der Bundesrepublik galten die Grundsätze der Marktwirtschaft. Das Wirtschaftswachstum erhöhte sich in den ersten fünfziger Jahren so rasch, dass von einem Wirtschaftswunder die Rede war. Auch später wuchs die Wirtschaft regelmäßig, wenngleich in einem geringeren Tempo. In der DDR bestimmte der Staat in einem wesentlichen Umfang das Geschehen in der Wirtschaft. Walter UIbricht, der bei der Gründung der DDR zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates bestellt wurde, hatte schon vorher zur Tätigkeit dieser Institution erklärt: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“
Zwischen der Bundesrepublik und der DDR und damit mitten in Europa verlief somit eine Grenze zwischen zwei Gebieten mit unterschiedlichen politischen Grundeinstellungen und Strukturen. Der Reiseverkehr zwischen der Bundesrepublik und der DDR war nur in einem stark eingeschränkten Maße möglich. Die seinerzeit übliche Bezeichnung eines „Eisernen Vorhangs“ zwischen den beiden Ländern charakterisierte die Lage sehr deutlich. Die Unterschiede zwischen beiden Ländern vergrößerten sich in den folgenden Jahren. In der Bundesrepublik wurden die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit und die Gleichbehandlung aller Bürger als selbstverständlich angesehen. In Ostdeutschland waren diese Rechte zugunsten staatlicher Institutionen eingeschränkt.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich zwischen der Bundesrepublik und den westlichen Ländern ein intensives und vertrauensvolles Verhältnis, das in dem Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat, zur Montanunion, zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds zum Ausdruck kommt. Dagegen blieb das Verhältnis zur Sowjetunion und zur DDR lange Zeit stark eingeschränkt.
Später entspannte sich das Verhältnis der Bundesrepublik und anderer westlicher Länder zur Sowjetunion allmählich. Auch die Beziehung der Bundesrepublik zur DDR veränderte sich ab den 70er Jahren. Im Herbst 1989 fiel die Mauer in Berlin, die lange ein Symbol für die Trennung Deutschlands in West und Ost war. 1990 ergab sich eine völlig ungewöhnliche Veränderung. Die DDR gab ihre Selbstständigkeit auf. Das Gebiet wurde Teil der Bundesrepublik.
Inzwischen gibt es keinen Zweifel, dass die Demokratie die ideale rechtliche Form für das Zusammenleben der Bürger ist. Deshalb ist es verständlich, dass die Bundesregierung und die politischen Organisationen sich unabhängig von ihrer parteipolitischen Zusammensetzung stets ohne Einschränkungen bemühen, die Grundsätze dieser Staatsform zu verteidigen. In der Bevölkerung werden diese Erkenntnis und die darauf zurückzuführenden Grundsätze der Politik nahezu vorbehaltlos anerkannt. In jüngster Zeit ergeben sich jedoch vereinzelt in der Bevölkerung Entwicklungen, die diesen Grundsätzen widersprechen. Die Zahl der politisch begründeten Straftaten hat erheblich zugenommen. Selbstverständlich haben die Bürger das Recht, Kritik an den Beschlüssen demokratisch gebildeter Organe zu üben. Doch sie haben nicht das Recht zu Beleidigungen oder Volksverhetzungen oder gar zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen. Die Politiker und letztlich alle Bürger haben die Pflicht, sich gegen demokratiefeindliche Tendenzen zur Wehr zu setzen.
Das Grundgesetz hat sich trotz der vielen politischen Veränderungen, die es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegeben hat, in seinen Grundzügen bewährt. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Grundsätze der Demokratie wurden niemals ernsthaft in Frage gestellt. Es ist die oberste Aufgabe unserer Politiker, einen Einfluss von Extremisten zu verhindern, die diese Grundsätze einschränken wollen.
Die Bundesrepublik hat sich in den 75 Jahren ihres Bestehens von einem Staat, dessen Bürger unmittelbar nach Kriegsende in einem heute kaum noch vorstellbaren Maße unter den Folgen des Krieges litten, zu einem freiheitlichen und wirtschaftlich erfolgreichen Land entwickelt, das seinen Einwohnern ein friedliches und freiheitliches Leben und damit alle Chancen auf ein angenehmes Dasein bietet.